Antrag: Teilnahme des Bezirks Berlin-Lichtenberg am „Audit Familiengerechte Kommune“

In die BVV-Sitzung am 24. Januar 2013 bringt die SPD-Fraktion folgenden Antrag ein:

Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen:
Das Bezirksamt wird beauftragt, eine Auditierung des Bezirks Berlin-Lichtenberg als Familiengerechte Kommune anzustreben, dafür Partner im öffentlichen und privaten Bereich zu gewinnen und dazu einen entsprechend breit angelegten öffentlichen Beteiligungsprozess in Gang zu setzen.

Begründung
Der Berliner Bezirk Lichtenberg versteht sich als kinder- und familienfreundlicher Bezirk. Aus diesem Leitbild sollen alle Generationen und Menschen in allen Lebenslagen Nutzen ziehen. Die Lichtenberger Familien sind das wichtigste und umfangreichste soziale Netzwerk des Bezirks. Aus diesem Grund hat die Unterstützung der Familien in ihren sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen einen hohen Stellenwert. Familie ist überall da, wo mindestens zwei Generationen füreinander Verantwortung übernehmen und tragen, unabhängig von Alter, Herkunft, Unterstützungs- oder Pflegebedürftigkeit, Trauschein oder sexueller Orientierung. In Berlin-Lichtenberg sollen sich Menschen aller Altersgruppen wohlfühlen.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem zunehmenden Standortwettbewerb um mobile Unternehmen und Familien hat die Gestaltung familiengerechter Lebensbedingungen besondere Bedeutung. Mit dem prosperierenden Standort Lichtenberg muss einhergehen, dass hier die Menschen neben beruflichen Perspektiven auch ein lebenswertes Umfeld finden. Um dies dauerhaft zu gewährleisten, ist es erforderlich, die Familienpolitik und die familienrelevanten Angebote regelmäßig an die aktuellen Entwicklungen anzupassen.

Um die Bedarfe und Interessen von jungen und älteren Menschen zu berücksichtigen wird in Lichtenberg die soziale Infrastruktur für Familien stetig weiter entwickelt. Daran beteiligen sich neben dem Bezirksamt viele Vereine und Träger, die Wohnungsbaugesellschaften und –genossenschaften, Unternehmen, Glaubensgemeinschaften und ehrenamtlich engagierte Menschen. Dabei wurden bereits viele einzelne Maßnahmen im Dialog mit den lokalen Akteuren aus Politik, Verwaltung, sozialen und wirtschaftlichen Interessenvertretern, gesellschaftlichen Gruppen und Vertretern der Bürgerschaft entwickelt und umgesetzt. Auf einem guten Weg zu sein, bedeutet jedoch noch nicht, das Ziel erreicht zu haben.

Das Audit Familiengerechte Kommune kann dem Bezirk Lichtenberg dabei helfen,

  • die Lichtenberger Familienpolitik zu systematisieren und strategisch weiterzuentwickeln
  • die Zielorientierung in der Lichtenberger Stadtentwicklung zu schärfen,
  • bestehenden Aktivitäten unterschiedlicher Akteure besser zu vernetzen,
  • Familien und Bürgerschaft in einen solchen Prozess als aktive Partner zu gewinnen und damit
    die Familienpolitik des Bezirks insgesamt wirkungsvoller und effizienter zu gestalten.

Dies kann in Lichtenberg beispielsweise unter folgenden Aspekten betrachtet werden:
Standortpolitik
Für Unternehmen und ihre Beschäftigten stellen familiengerechtes Wohnen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie ein guter Zugang zu Bildung, Ausbildung und sozialen Einrichtungen wichtige Faktoren der Standortqualität Lichtenbergs dar.

Lebensqualität
Familiengerechtigkeit in Wohnumfeld, Freizeitgestaltung und Kultur ist ein zunehmend wichtiges Argument bei der Abwägung, an welchem Ort Familien ihren Wohn-, Lebens- und Arbeitsmittelpunkt wählen. Daher kann eine Auditierung auch die Attraktivität Lichtenbergs für Familien steigern und somit nachhaltig Zu- bzw. Abwanderungssalden positiv beeinflussen.

Soziale Stabilität und Zusammenhalt der Gesellschaft
Frühe Förderung und Bildung, Prävention, Gesundheitsschutz, Vermeidung von Familien- und Kinderarmut sind Aufgaben der Kommune, die sowohl gesellschaftlich drängend sind als auch wirtschaftlich im Hinblick auf Sozialkosten eine große Bedeutung haben.

Zusammenfassend: Das „Audit Familiengerechte Kommune“ zielt darauf ab, die Potenziale der wechselseitigen Beziehung von Lebensqualität und Standortpolitik voll auszuschöpfen. Dieser Prozess wird Lichtenberg sowohl neue Erkenntnisse und als auch Rückhalt bringen, wenn er ressortübergreifend und breit über den ganzen Bezirk geführt und mit Nachdruck, Intensität und Ernsthaftigkeit betrieben wird. Dann kann er im Ergebnis für Lichtenberg eine Prägewirkung und Nachhaltigkeit entfalten.

Bisherige vergleichbare Auditierungsverfahren in Deutschland
Solche Auditierungsverfahren wurden ab 2008 in Nordrhein-Westfalen entwickelt und modellhaft in Großstädten und kleineren Kommunen in NRW und Baden-Württemberg umgesetzt. Bereits 12 Städte und Kommunen haben sich einem solchen Prozess gestellt und ein Zertifikat „Familiengerechte Kommune“ erhalten, unter anderem Aachen, Düsseldorf, Gladbeck und Lippstadt. Aktuell befinden sich 23 weitere Kommunen in einer solchen Auditierung, unter anderem die Stadt Hennigsdorf in Brandenburg.

Das Verfahren zur Auditierung setzt sich aus mehreren Phasen zusammen. Zunächst werden in öffentlichen Workshops familienpolitische Strategien entwickelt und die konkrete Ausgangslage analysiert. Der Prozess basiert grundsätzlich auf vollständiger Öffentlichkeit, um auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt zu werden. Verbände, Experten, Freie Träger, Vereine, Interessenvertreter, Unternehmen und vor allem Bürgerinnen und Bürger werden motiviert, sich in themenbezogenen Workshops mit ihrer Expertise und Ideen einzubringen.

In diesen Audits werden folgende sechs Handlungsfelder untersucht:
1. Steuerung, Vernetzung und Nachhaltigkeit
2. Familie und Arbeitswelt, Betreuung
3. Bildung und Erziehung
4. Beratung und Unterstützung
5. Lebensqualität und Wohnumfeld
6. Senioren und Generationen.

Über die Vergabe des Zertifikats “Familiengerechte Kommune” entscheidet eine unabhängige Jury anhand transparenter, öffentlich zugänglicher Kriterien. Die Umsetzungsphase beträgt in der Regel drei Jahre. Danach wird der Prozess bilanziert und die inhaltlichen Entwicklungen im Rahmen der Erst-Auditierung konsolidiert und verstetigt.


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