In die BVV-Sitzung am 24. Mai 2012 bringt die SPD-Fraktion folgenden Antrag ein:
Die BVV möge beschließen:
Das Bezirksamt wird gebeten folgende Punkte zur Verbesserung der BürgerInnenbeteiligung in Lichtenberg zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.
Hierbei ist die Bezirksverordnetenversammlung über die Ergebnisse der Prüfung in Kenntnis zu setzen.
1. Die Bürgerschaft soll möglichst schon am Beginn von Planungs- und/oder Vorhabenprozessen in einer sogenannten „Grundsatzanhörung“ zu Raumordnungs- und Standortsbestimmungsverfahren sowie Umsetzungsverfahren befragt werden. Eine Grundsatzanhörung sollte ergebnisoffen gestaltet sein, damit Vorschläge und Ideen der Bürgerschaft in die Planungsgegenstände oder Vorhaben einfließen können.
2. Bei Vorhabenplanungen beziehungsweise bei Planungsgegenstände, Vorhaben oder Durchführungen des Bezirksamtes, soll die Bürgerschaft in Hinsicht der Akzeptanz bezüglich des geplanten Projektes oder Vorhabens auf eventuelle Alternativvorschläge oder Ergänzungsvorschläge befragt werden.
3. Wenn keine rechtlichen Bedenken beziehungsweise Einschränkungen vorliegen, sollen Unterlagen zu Planungsgegenstände, Vorhaben oder Durchführungen des Bezirksamtes öffentlich und in aktueller Fassung für die Bürgerinnen und Bürger zugänglich sein. Hierzu sind an mindestens einem zentralen und gut zugänglichen Ort im Bezirk die aktuellsten Unterlagen in angemessener Anzahl zur Einsicht zur Verfügung zu stellen. Auch mögliche Kopiervorlagen sowie die Möglichkeit von (durch die Bürgerinnen und Bürger zu bezahlenden) Kopien sollten den Bürgerinnen und Bürgern bereitgestellt werden.
4. Bekanntmachungen und Änderungen zu Planungsgegenstände, Vorhaben oder Durchführungen des Bezirksamtes sollen auf einer zentralen und allgemein zugänglichen Bürgerbeteiligungsplattform im Internet eingestellt werden. Alle Unterlagen sollen, wenn keine rechtlichen Bedenken vorliegen und keine Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden, zum Download bereitgestellt werden.
5. Betreffen mögliche Bekanntmachungen und Änderungen zu Planungsgegenstände, Vorhaben oder Durchführungen des Bezirksamtes direkt Anwohner beziehungsweise Bewohner der betroffenen Grundstücke, sind diese schriftlich über die Neuerungen und Veränderungen zu informieren.
6. Bei den Beteiligungsformen sind angemessene Fristen zu beachten, damit eine BürgerInnenbeteiligung möglich ist. Eingegangene Einwendungen sollen durch den Planungsträger beziehungsweise durch das Bezirksamt mit dem Einwendeführer diskutiert werden.
7. Bei Bedarf werden in äußerst komplexen Situationen Vermittler oder Schlichter zwischen Verwaltung/Politik und Bürgerschaft, so genannte Bürgeranwältinnen/Bürgeranwälte (BüAn), eingesetzt, die ehrenamtlich arbeiten. Diese achten auf sachliche und wahrheitsbezogene Diskussionen und Argumentationen zwischen den gegenüberstehenden Seiten. Die BüAn sollen aufgrund von Eignungen und Sachkenntnissen durch die Bezirksverordnetenversammlung für einen bestimmten Zeitraum oder für ein bestimmtes Projekt ernannt werden.
8. Kosten für Bürgerbeteiligungsverfahren müssen in die Kostenberechnung von Projekten einfließen. Diese sind gegenstandsbezogen darzustellen.
Begründung:
In der Kommunikation bei der Planung und Durchführung bezüglich von Vorhaben des Bezirksamtes, beispielsweise bei Bauvorhaben, kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Bürgerschaft und Politik beziehungsweise Verwaltung. Diese Konflikte sind letztendlich auf Kommunikationsdefizite zurückzuführen. Neben den Kommunikationsdefiziten sind auch gefühlte Minderinformationen bei Betroffenen und/oder Interessierten sowie ein persönliches Misstrauen einzelner zu benennen. Der Bezirk Lichtenberg hat sich stets für eine starke Bürgerbeteiligung ausgesprochen. Bürgerbeteiligung kann jedoch nicht als etwas Statisches betrachtet werden, sondern muss stets im dynamischen Wandel der Gesellschaft überdacht, evaluiert und aktuellen Ereignissen und Ansprüchen angepasst werden. Die Bürgerschaft betrachtet Bürgerbeteiligung gerade in Kommunen als ein sehr wichtiges Instrument. Dabei sind in den letzten Jahren die Ansprüche an wirkliche Beteiligungsverfahren gestiegen und bestehende Instrumente der Bürgerbeteiligung müssen auch in Lichtenberg dahingehend überprüft werden, inwiefern eine tatsächliche Beteiligung der Bürgerschaft stattfindet. Zudem haben neue Medien es möglich gemacht, dass sich in der Bürgerschaft eine Vielzahl von Experten zu bestimmten Themen gebildet hat. Deren Expertise und Wissen sollte als Ressource unbedingt stärker und frühzeitiger genutzt werden.
Dieser Antrag soll hierbei Möglichkeiten aufzeigen, wie die Kommunikation zwischen Bürgerschaft und Verwaltung beziehungsweise Bezirksamt oder sogar Politik verbessert werden kann. Des Weiteren sollen Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Bürgerschaft möglichst von Anfang an in Planungs- und Vorhabens-Prozesse eingebunden werden und dabei stets auf die aktuellen Informationen zurückgreifen können.
Bei den meisten Vorhabenplanungen ist eine ergebnisoffene Diskussion mit der Bürgerschaft nicht mehr möglich, da in den meisten Fällen die Bürgerinnen und Bürger erst eingebunden werden, wenn das Ergebnis beziehungsweise grobe Ziel des Vorhabens längst feststeht und entschieden ist. Ein Umschwenken bei guten Alternativvorschlägen durch die Bürgerschaft ist meist nicht mehr möglich beziehungsweise sind Änderungen gegenüber der ursprünglichen Planung dann sehr kostspielig.
Bei Bauvorhaben ist die Bürgerschaft in den meisten Fällen nicht ständig und fortlaufend über den aktuellen Stand informiert beziehungsweise haben die Bürgerinnen und Bürger oft nur wenig Zeit um aktuelle Unterlagen rechtzeitig zu studieren. So ergeben sich immer wieder Veranstaltungen beziehungsweise Diskussionen bei welchen von unterschiedlichen Wissensständen einzelner ausgegangen wird. Des Weiteren sind die Unterlagen zu den einzelnen Projekten nur über eine bestimmte Zeit an einen bestimmten Ort verfügbar. Werden Unterlagen später geändert oder nachgereicht, so sind diese den Bürgerinnen und Bürgern meist nicht zugänglich. Hierbei erfahren sie meist erst auf Veranstaltungen, zufällig oder nach Abschluss der Vorhaben von bestimmten Änderungen.
In vielen Diskussionen zu Vorhaben von Verwaltungen und Politik wurde ein Misstrauen zwischen Politik/Verwaltung und Bürgerschaft deutlich. Bei Vorhaben wie beispielsweise das Bauvorhaben am Bahnhof in Stuttgart (Stuttgart 21) hat es sich bewährt, neutrale Personen als Schlichter und Vermittler (betreffend Supervision) einzusetzen. In Streitfällen oder Problemlagen ist auch dies im Berliner Bezirk Lichtenberg zu empfehlen, sodass sichergestellt werden kann, dass es nicht um Persönlichkeiten, sondern um die Sache geht.
Politik und Verwaltung sollten sich bewusst sein, dass auch die Bürgerinnen und Bürger Kosten und Mühen in die Bürgerbeteiligung investieren. Sie besuchen unentgeltlich Veranstaltungen oder engagieren sich ehrenamtlich in Verbänden und Vereinen und nutzen ihre wertvolle Zeit für das Gemeinwohl. Daher sollten auch Politik und Verwaltung stets bereit sein, Geld für Bürgerbeteiligung zu investieren.